1964 begann alles in einem Faltboot. Mittlerweile ist Detlev Kalter längst mit dem Seekajak in der Welt unterwegs. Ostfriesische Inseln, norwegische Lofoten – alles hat der Bremer bereits auf dem Seeweg erkundet. Hinzu kommen Touren durch Venedig und an der Küste der Bretagne entlang. Über 40 000 Kilometer stehen in Kalters Fahrtenbuch. Eine Distanz, für die der Kanuwanderer eine besondere Auszeichnung erhalten hat: Das Globus-Abzeichen des Deutschen Kanu-Verbandes.
Kanuwanderer Detlev Kalter erpaddelt sich Globus-Abzeichen
– und nach über 40 000 Kilometern ist kein Ende in Sicht
VON RAINER JÜTTNER
Bremen. Die erste Eintragung im schon leicht angestaubten Fahrtenbuch stammt vom 1. März 1992. Borgfelder Brücke und zurück lautete das Premierenziel von Detlev Kalter. Klingt nicht sonderlich spektakulär, doch für ihn war es der Beginn einer großen Leidenschaft: dem Kanuwandern. Exakt 610,7 Kilometer legte er in seinem ersten Jahr zurück, eine Strecke, über die er heute nur noch milde lächelt. Mittlerweile bewegt der Bremer seit über 22 Jahren sein Kajak über die Wasserstraßen dieser Welt – inzwischen hat er unseren Erdball sogar theoretisch einmal an seiner dicksten Stelle umrundet. 40 590 Kilometer standen am Jahresende in seinem x-ten Fahrtenbuch.
Eine Distanz, die man nicht mal eben so herunterreißt, die Detlev Kalter aber auf jeden Fall eine ganz besondere Auszeichnung bescherte. Er ist einer der wenigen Bremer, die sich fortan mit dem Globus-Abzeichen des Deutschen Kanu-Verbandes (DKV) schmücken dürfen.
Die Distanzen, die in seinem Fahrtenbuch dokumentiert sind, verlangen Respekt ab. 3748 Kilometer stehen dort für das Jahr 2013. „Das war eher nicht so gut, weil es im Frühjahr sehr kühl war“, erklärt Kalter. Besser lief es da schon 2012 mit 3913 Kilometern, aber das laufende Jahr dürfte wohl sein bislang ertragreichstes werden. Bis Juni waren bereits Fahrten über 3000 Kilometer verzeichnet. „Die Saison läuft bis zum 30. September, da kann also noch einiges zusammenkommen“, weiß Kalter.
Neben der Weite des Meeres, der Ruhe und dem Dahingleiten schätzt Detlev Kalter (rechts) den ganz besonderen Blickwinkel vom Wasser aus.FOTOS: FR
Doch dem 63-Jährigen ging es nie nur um das Kilometerfressen. „Wenn man mit dem Seekajak beim Tourensport unterwegs ist, geht es für mich natürlich immer auch um das pure Naturerlebnis“, sagt Kalter. Und davon hat er mittlerweile eine ganze Menge in seinen Erinnerungen. Ob vor der Küste der Bretagne, rund um die norwegischen Lofoten, rüber zu allen ostfriesischen Inseln oder einfach mal eben wieder auf der Weser – alles dient dem Erleben inmitten der Natur. Und eröffnet im wahrsten Sinne des Wortes ganz neue Perspektiven. „Vom Boot aus gesehen, nur knapp über der Wasseroberfläche, sieht man plötzlich alles aus einem ganz anderen Blickwinkel“, sagt der erfahrene Tourenleiter der Bremer Kanuwanderer.
Detlev Kalter profitierte beim Einstieg ins Kanuwandern von seinen Rennsport-Erfahrungen. 1964 begann alles noch in einem Faltboot, später ging es für den WSV Verden in den Rennkajak. „Das war in ganz schmalen Booten auf ruhigem Flachwasser, also ein rein athletischer Vergleich“, sagt er. 1985 flaute seine Lust auf rein sportliche Auseinandersetzungen ab, auch wenn er bis Mitte der Neunzigerjahre immer noch sporadisch auf den Übungsstrecken der Oker aufs Wildwasser ging – bis er dann bei den Kanuwanderern – ab 1987 mit dem Seekajak – zu seiner wahren Bestimmung fand.
Dieses Gefühl für das Boot, das er sich während seiner Rennsportzeit holte – und nicht zuletzt das Beherrschen der Eskimorolle aus dem Wildwassersport – helfen Detlev Kalter aber auch bei seinen Fahrten auf dem offenen Meer. „Das Seekajak erscheint auf den ersten Blick schon ziemlich kippelig zu sein, doch letztlich ist das wie beim Fahrradfahren. Am besten ist beides mit mittlerer Geschwindigkeit am sichersten“, erklärt er.
Apropos: Sicherheit ist eines der Lieblingsthemen von Detlev Kalter. Denn natürlich kann das Fahren auf dem offenen Meer, etwa 20 Kilometer von der Küste entfernt, auch Risiken mit sich bringen. Doch darauf bereitet sich Kalter intensiv vor. „Ich bin kein Hasardeur, ich will gesund zurückkehren“, lautet seine Devise. Dazu dient erstens eine gute Ausrüstung wie Seenotsignalmittel, UKW-Handfunkgerät, Neopren- oder Trockenanzüge als Kälteschutz und ein Schleppgeschirr für den Notfall. Zweitens sind dazu natürlich auch die vielen Übungen, wie zum Beispiel zum Wiedereinsteigen bei einer Kenterung, grundlegende Voraussetzungen.
„Einfach mal eben auf dem offenen Meer oder Fluss lospaddeln, geht nicht“, sagt Detlev Kalter. „Da muss mann langsam herangeführt werden. Bis zur ersten richtigen Tour auf See sollte man schon über zwei bis drei Jahre Erfahrung verfügen. Und auch dann niemals alleine, sondern am besten mit drei bis vier Leuten“, sagt Kalter. Drittens darf das Thema Wetterkunde nicht vernachlässigt werden. „Wenn es das Wetter neunmal nicht zulässt, muss man auch so stark sein und sagen können: Gut, heute gehe ich nicht raus. Ansonsten kann es in solchen Situationen schon gefährlich werden.“
Die Faszination, sich immer wieder neue Gebiete zu erpaddeln, lässt Detlev Kalter aber mit wachen Augen durch die Welt gleiten. Die Weser gleich um die Ecke und die Nordsee gehören zwar zu seinen Stammrevieren, aber Kalter schafft es auch immer wieder, sich ganz neue Reviere zu erschließen. „Selbstverständlich will ich dann keine weißen Flecken vorfinden, also informiere ich mich immer intensiv und ausführlich über meine Reiseziele und die jeweiligen Reviere.“
Sein jüngster Trip führte Kalter nach Venedig, demnächst geht es in die schwedischen Ost- und Westschären. Weitere 250 bis 300 Kilometer mehr werden danach das Fahrtenbuch füllen. „Letztlich hat aber jede Tour ihre besondere Schönheit“, weiß Detlev Kalter. Wie kürzlich zum Beispiel auf dem Wurster Arm, rund 15 Kilometer von der Nordseeküste entfernt, als Kalter und seine Gruppe ein ordentliches Stück von sechs verspielten Schweinswalen begleitet wurden.
„Das sind für mich dann die ganz besonderen Momente“, sagt Kalter. Wer mal dieses Gefühl für dieses pure, fast lautlose Gleiten auf dem Wasser in einem wackeligen Boot nachvollziehen will, der muss einfach mal Detlev Kalter bei seiner Lieblingsbeschäftigung zuschauen. Denn wenn er nicht gerade mal wieder irgendwo vor fremden Küsten unterwegs ist, dann trifft man ihn vielleicht auf der Weser – gerade mal eben wieder dahin, wo alles begann – zur Borgfelder Brücke.
Seltene Begleiter: Schweinswale an der Wesermündung.
Quelle: Stadteilkurier- Beilage zum Weser-Kurier vom 7.9.2014